„Quo vadis, Wohnungswirtschaft? Wo geht's hin?“

veröffentlicht am: 10.10.2018

Mit dieser Frage und mehr beschäftigten sich im Jahrespressegespräch des ESW – Evangelisches Siedlungswerk die beiden Geschäftsführer Hannes B. Erhardt und Robert Flock.

Die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum ist nach wie vor hoch, die Ausgangsbedingungen dafür sind allerdings alles andere als optimal: knappes, überteuertes Bauland, steigende Baukosten, lange Planungszeiten.

Doch auch wenn die Herausforderungen in der Wohnungswirtschaft zunehmen, sind die Geschäftsführer des ESW – Evangelisches Siedlungswerk Hannes B. Erhardt und Robert Flock mit der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens sehr zufrieden.

Die ESW-Unternehmensgruppe bewirtschaftet über 12.730 Wohn- und Gewerbeeinheiten in ganz Bayern. In den letzten Monaten wurden rund 120 Mietwohnungen in Ingolstadt, Fürth und Nürnberg und eine Kita mit 59 Plätzen fertiggestellt. Insgesamt hat das ESW damit in den letzten fünf Jahren sechs Kitas neu errichtet, umgebaut oder erweitert und so rund 520 Kitaplätze geschaffen.

Pünktlich zum Wintersemester werden außerdem 48 Studentenapartments in der Nürnberger Scheurlstraße fertig. Sie sind speziell auf den Bedarf von Menschen in Ausbildung ausgelegt – das günstigste, teilmöblierte Apartment kostet gerade einmal 325 € kalt pro Monat und bietet alles, was man braucht: Küche, Bad und sogar einen Balkon. Der bekannte Nürnberger Künstler Julian Vogel schafft zudem auf der Fassade ein haushohes Kunstwerk zum Thema Perspektiven, das sich im Inneren fortsetzt und das Haus zu einem Ort besonderer Wohn- und Lebensqualität werden lässt.

Ebenfalls Anfang Herbst wird das erste Gebäude einer umfangreichen Baumaßnahme im Münchner Norden bezogen. Insgesamt entstehen dort 69 neue Mietwohnungen und eine große Tiefgarage, parallel dazu werden 88 Wohnungen leergezogen und vollständig erneuert. Die vorübergehend umquartierten Bewohner können sich freuen: Sie ziehen dann in auf Neubaustandard hergerichtete Wohnungen mit neuen großen Balkonen – zum ursprünglichen Mietpreis. Die gesetzlich problemlos umlagefähigen Modernisierungskosten werden bei den Altmietern nicht umgelegt.

Auch die Altmieter im SonnenTurm in Fürth kamen in den Genuss eines Vorzugspreises. Durch barrierefreie Wohnungen auf allen Stockwerken und Wohnungsgrößen von 45 bis 100 m2 wird Mehrgenerationenwohnen automatisch gefördert.

Zukunftsstrategie

Im Jahrespressegespräch 2017 versprach das ESW die Zahl von über 1.100 neuen Mietwohnungen bis 2020/21. Das Unternehmen hat also noch einiges vor. Der Fokus des ESW liege dabei insbesondere auf bezahlbaren, innerstädtischen Mietwohnungen für ältere Menschen, Familien und Einkommensschwächere, erklärt ESW-Geschäftsführer Hannes B. Erhardt. „Es wird zwar gebaut und gebaut, doch teilweise am Bedarf vorbei. Manche Gegenden sind schon so gut wie gesättigt, genauso wie der Bedarf an hochpreisigen Eigentumswohnungen. In anderen Regionen und um bezahlbaren Wohnraum herrscht nach wie vor beinahe ein Kampf.“ Daher wird das ESW auch weiterhin umfangreich in den Ausbau des Wohnungsbestandes investieren. Der Schwerpunkt in den nächsten Jahren liegt vor allem darauf, die in letzter Zeit erworbenen Grundstücke nachhaltig zu bebauen. Gleichzeitig will das ESW weitere Wohnbauflächen erwerben und entwickeln.

Was sich simpel anhört, stellt Wohnungsunternehmen aktuell vor größte Herausforderungen. „Immer längere Projektentwicklungszeiträume, stetig steigende Baukosten und der Mangel an Bauland; gleichzeitig das Ziel, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen – da haben wir uns schon eine Zeit lang gefragt, wie das gehen soll“, gibt Erhardt zu. In vielen Regionen sind die Baulandpreise seit 2006 stark gestiegen, in München zum Beispiel um 122 %, in Ingolstadt um 90 %. Auch in Städten wie Nürnberg ist es nicht mehr ungewöhnlich, dass für jeden Quadratmeter Wohnfläche mehr als 1.000 € allein an Grundstückskosten aufgewendet werden müssen – und das im Mietwohnungsbau. Doch was sind die Lösungen? „Wir appellieren an die Kommunen, viel stärker auf Konzeptvergabe statt auf Bieterverfahren zu setzen – soziale und genossenschaftliche Unternehmen haben sonst keine Chance“, regt ESW-Geschäftsführer und Architekt Robert Flock an und präzisiert: „Die wichtigsten Bedingungen jeder Konzeptvergabe müssen sein: eine effiziente Flächennutzung, ein vernünftiger Anteil an bezahlbaren Wohnungen und eine Kombination aus urbaner Dichte und gesunder Stadtentwicklung.“

Eine weitere Herausforderung sind – neben den Grundstücken und den seit 2005 um 55 % gestiegenen Baukosten – vor allem die extrem langen Projektentwicklungszeiten, meint Flock weiter. „Das liegt nicht nur an langen Genehmigungsverfahren, sondern auch daran, dass wir heute Anforderungen erfüllen, die am Ende alle wollen: an Brandund Schallschutz, Barrierefreiheit, Ökologie, Altlasten, Nachbar- und Bürgerbeteiligungen. Das sind zu Recht Themen, an denen heute kein Bauprojekt mehr vorbeikommt.“ So sieht das auch Hannes B. Erhardt. Man müsse sich den Schwierigkeiten stellen und Lösungen suchen, ergänzt er. „Man muss versuchen, alle Möglichkeiten auszuloten, ohne dabei das Rad ständig neu erfinden zu wollen.“

Einheitliche Baustandards und brandschutztechnische Vorgaben, die Zulassung von einheitlichen Mehrfamilienhaustypen und Systembauten sowie industrielle Fertigungsmethoden auf hohem Niveau sind für die beiden Geschäftsführer durchaus realistische Lösungsansätze. Um fertig entwickelte Projekte dann aber auch zügig umsetzen zu können, müssen nicht zuletzt die Bauämter personell aufgestockt werden. Vor allem fehlt es hier in vielen Kommunen an zentralen Ansprechpartnern, die die innerbehördlich oft divergierenden Sichten intern zusammenführen und gegenüber dem Bauherrn vertreten.

Mitarbeiter im Fokus

Mit Blick auf die Bauausführung muss dem Fachkräftemangel insbesondere im Bauhandwerk entgegengetreten werden. „Das Handwerk muss sein nach wie vor vorhandenes Stigma verlieren als Beruf zweiter Klasse im Vergleich zur akademischen Ausbildung“, meint Flock, der auch Geschäftsführer der ESW Gebäudemanagement GmbH ist. Doch auch bei anderen wohnungswirtschaftlichen Berufen konkurrieren die Unternehmen zunehmend untereinander um qualifizierte Mitarbeiter. Employer branding und Unternehmenskultur werden immer wichtiger. „War es vor ein paar Jahren noch oberstes Ziel, mobiles Arbeiten außerhalb des Unternehmens unkompliziert und komfortabel zu ermöglichen, wird das schon wieder differenziert gesehen“, ergänzt Erhardt. „Der Fokus liegt nun darauf, eine so angenehme und stimulierend-motivierende Arbeitsumgebung zu schaffen, dass die Mitarbeiter nicht nur gerne, sondern beinahe lieber ins Büro kommen, als zuhause zu arbeiten, weil sie dort die besseren Bedingungen und Arbeitsatmosphäre vorfinden“, so Erhardt weiter mit Blick auf die aktuell im Umbau befindlichen Bürogebäude des ESW. „Das ist ein Anspruch, den wir auch an unsere neuen Verwaltungsgebäude haben: ein modernes Bürokonzept innerhalb und eine attraktive Umgebung mit Mehrwert außerhalb.“

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