Anruf bei... Geschäftsführerin des Europäische Metropolregion Nürnberg e. V.

Ein Anruf bei... Dr. Christa Standecker

veröffentlicht am: 21.05.2025

Hallo Frau Dr. Standecker! Schön, Sie zu unserem Interview begrüßen zu dürfen. Erstmals vorneweg, herzlichen Glückwunsch zum 20-jährigen Jubiläum der Europäischen Metropolregion Nürnberg! Wenn Sie zurückblicken – was waren für Sie persönlich die bedeutendsten Meilensteine der letzten zwei Jahrzehnte?

Dr. Christa Standecker: Einer war das „Erwachsenwerden“ der Metropolregion: 2011 übergab der damalige Nürnberger OB Maly den Ratsvorsitz, die Organisation wurde unabhängig von der Stadtverwaltung. Zudem wurde die Wirtschaft institutionell neu eingebunden – mit dem Wirtschaftsvorsitz. Wirtschaft und Politik arbeiten seither gleichberechtigt zusammen.

  

In welchen Bereichen hat die Europäische Metropolregion Nürnberg aus Ihrer Sicht den größten Einfluss auf die Region genommen?

Dr. Christa Standecker: Unmittelbar sichtbar wird der Einfluss bei der Ausweitung des Verkehrsverbundes Großraum Nürnberg auf inzwischen fast das ganze Gebiet der Metropolregion zum zweitgrößten Verkehrsverbund Deutschlands. Der Beitritt der fehlenden Kommunen könnte bald schon kommen. Ein weiterer Erfolg ist die Sichtbarkeit: Die Kampagnen „Platz für…“ und „Obacht!“ mit einer Reichweite von mehr als 140 Millionen trugen dazu bei, dass wir Top-Wunschort für Fachkräften sind und bei Entscheidern ganz oben auf der mentalen Landkarte stehen.

Drittens haben wir einen regionalen Kompass entwickelt, um Investitionen und Forschungsmittel einzuwerben – unter Federführung der IHK Nürnberg und unter Einbezug von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik: das Leitbild für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung (WaBe). Es umfasst sieben wirtschaftlich-technologische Kompetenzfelder, die man als zukunftsfähig und besonders wettbewerbsfähig ansieht. Dazu gehören die Medizintechnik mit dem Spitzencluster Medical Valley, aber auch im Bereich Automatisierung, Verkehr und Logistik, Energie und Umwelt haben wir Spitzenleistungen in Wirtschaft und Forschung.

  

Wie gelingt es, die vielen unterschiedlichen Akteure – Kommunen, Wirtschaft, Wissenschaft und Bevölkerung – unter einem gemeinsamen Dach zusammenzubringen?

Dr. Christa Standecker: Ein wichtiger Klebstoff ist die Stadt-Land-Partnerschaft auf Augenhöhe. Jeder Landrat, jeder (Ober-)Bürgermeister hat eine Stimme. Konsens statt Kampfabstimmung prägt die Zusammenarbeit, auch zwischen Gewerkschaften und Kammern. Die dezentrale Organisation unterstützt die Zusammenarbeit: Rathäuser bringen eigene Ressourcen ein, um Fach-Geschäftsstellen für unsere acht Foren zu betreiben. Das sind freiwillige Netzwerke aus Experten und Engagierten, die gemeinsam regionale Themen bearbeiten und Projekte auf den Weg bringen. Bamberg kümmert sich um Heimat und Freizeit, Fürth um Wissenschaft, Erlangen um Kultur und Sport, Nürnberg um Wirtschaft und Klimaschutz sowie Bayreuth um Verkehr und Planung.

  

Die EMN ist nicht nur regional, sondern auch europäisch verankert. Wie funktioniert die grenzüberschreitende Zusammenarbeit konkret?

Dr. Christa Standecker: Wir sind Mitglied im europäischen Netzwerk der Metropolregionen METREX. Vergangenes Jahr waren wir mit gut 50 Vertretern aus Unternehmen, Verwaltung, Politik und Wissenschaft in Brüssel zu Fachgesprächen mit der EU-Kommission und EU-Parlamentariern. Ein Ergebnis war die Auszeichnung der Region als EU Innovation Valley, insbesondere wegen der weit überdurchschnittlichen Zahl an Patentanmeldungen und wegen der engen Verzahnung von Industrie und Forschung. 21 Hochschulen und gut 50 Forschungseinrichtungen bilden mit innovationsstarken Unternehmen unser Innovations-Ökosystem.

  

Wie wird das 20-jährige Bestehen gefeiert?

Dr. Christa Standecker: Wir feiern das ganze Jahr! Damit würdigen wir auch das Engagement der vielen Akteure, die unsere regelmäßigen Events ermöglichen, wie den Wissenschaftstag, den CleanTech Innovation Summit in Hallstadt, die Genussmeile Original Regional auf der Consumenta, das Symposium der Kultur- und Kreativwirtschaft, die Klimapakt-Konferenz… Besondere Highlights sind die Feiern „Die Wirtschaft feiert 20 Jahre Metropolregion“ bei der IHK Nürnberg, das bevorstehende Flughafenfest und ein Empfang für unsere über 180 ausgezeichneten Künstler:innen in Erlangen im Juni.

  

Gibt es aktuelle Projekte, die Ihnen besonders am Herzen liegen?

Dr. Christa Standecker: Seit 2023 unterstützen wir im Projekt transform_EMN die Transformation der Automobilzulieferer mit rund 100.000 Beschäftigten und rund 500 kleinen und mittelständischen Betrieben in der gesamten Region. Wir bringen die Unternehmen mit Forschungseinrichtungen und anderen Branchen zusammen. Durch den Einsatz neuer Technologien können sie ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern und neue Geschäftsideen entwickeln. Wir hoffen sehr, dass wir dieses erfolgreiche Projekt als Zukunftsagentur fortführen können. Denn wir stecken mitten im Wandel.

  

Welche Vision haben Sie für die Zukunft der Europäische Metropolregion Nürnberg – sagen wir im Jahr 2040?

Dr. Christa Standecker: „Wir wollen die bevorzugte Heimatregion für talentierte und engagierte Menschen aus aller Welt sein. Gemeinsam schaffen wir die Heimat für Kreative“, so lautet die Vision der Metropolregion, auf die sich unsere Landräte und Oberbürgermeister sowie Unternehmen und Wissenschaft geeinigt haben. Diese Vision einer weltoffenen und kreativen Gesellschaft mit einer starken regionalen Verwurzelung ist für mich auch 2040 tragfähig.

   

Und zum Abschluss, was wünschen Sie sich persönlich für Ihre Metropolregion?

Dr. Christa Standecker: Ich wünsche mir, dass unsere Wirtschaft und unsere Politik die Zusammenarbeit von Stadt und Land in der Metropolregion weiterentwickeln und ausbauen. Die Regionen werden an Bedeutung gewinnen. Sie sind die Sicherheitsarchitektur der Globalisierung.

  

Vielen Dank für das informative Gespräch.

  


Bildquelle(n): Europäische Metropolregion Nürnberg e. V. / Jürgen Haas